Lehrerbetriebspraktikum

Als im Frühjahr 2003 gleich 7 Flensburger Lehrerinnen und Lehrer für eine Woche das Klassenzimmer mit einem betrieblichen Arbeitsplatz wechselten, waren viel skeptisch.
Was bringt das?
Und wie wird der Unterrichtsausfall aufgefangen?

Seit Jahren kritisieren die Wirtschaftsverbände die Wirklichkeitsferne der deutschen Schulen schlechthin.
Jedes Jahr schicken die Schulen ihre Schülerinnen und Schüler in Betriebe ohne selbst etwas von den Entwicklungslinien und Problemen der Betriebe zu wissen. Um dem abzuhelfen, sollen Lehrerinnen und Lehrer in Praktika von der Wirtschaft lernen.

Die gemachten Erfahrungen in Flensburg sind ermutigend.
Die Lehrkräfte spüren nach dem „Update“ mehr Glaubwürdigkeit bei ihren Schülern.
Der Dialog Schule – Wirtschaft geht leichter.
Die Kommunikation wird besser und die Beratungskompetenz der Lehrkräfte wird gesteigert. Nach den ermutigenden Erfahrungen sollten die Beteiligten weitere „Bündnisse auf Zeit“ schließen.
In einem Fall wurde der „Seitenwechsel“ sogar komplett vollzogen.
Der Chef einer namhaften Flensburger Kommunikationstechnologiefirma begleitete für einen Tag „seinen“ Lehrer in der Schule selber als Schulpraktikant.

Interessierte Lehrkräfte oder Betriebe wenden sich bitte an den Kreisfachberater für Berufsorientierung beim Schulamt der Stadt Flensburg.

Lesen Sie hier einen Artikel aus dem Flensburger Tageblatt über das Lehrerbetriebspraktikum:

Aus der Schule in die "Arbeitswelt"

Der Lehrer Jürgen Vollbehr während seines Praktikums bei der KomTel.

Jürgen Vollbehr ist der Erste, bald folgt eine große Gruppe von Lehrern, die als Praktikanten Flensburger Unternehmen kennen lernen.

Flensburger Tageblatt vom 17.01.2003

Jürgen Vollbehr ist Lehrer. Aber im Moment lernt er selbst:
Er ist Praktikant bei ei­ner Telefongesellschaft, der KomTel.
Das ist auch ein Training der Kommunikationsfähig­keit", sagt Vollbehr, der nor­malerweise Mathematik und Wirtschaft/Politik an der Real­schule West unterrichtet.
Voll­behr ist nicht nur Lehrer, son­dern auch Kreiskoordinator für Berufsorientierung, und er ist die Vorhut eines ganzen Lehrerschwarms, der sich im März auf verschiedene Unter­nehmen in Flensburg ergie­ßen soll.
Von acht der insge­samt zehn Flensburger Haupt‑, Real‑ und Sonderschu­len wird jeweils ein Lehrer für eine Woche in die Arbeitswelt außerhalb der Schule ge­schickt.

Seit Jahren hieße es "Lehrer in die Wirtschaft", referiert Vollbehr.
Die Idee: Lehrer stei­gern ihre Beratungskompe­tenz und erleben hautnah, welche Qualifikationen bei den potentiellen Arbeitgebern ihrer Schüler gefragt sind.
Selbstständigkeit und Korn­munikationsfähigkeit seien das vor allem, hat Vollbehr be­obachtet.
Kommunikation sei für die Schule wichtig, sagt er. "Wir reden in der Schule oft aneinander vorbei", so seine Erkenntnis.

Um das zu ändern, will er mit Schülern künftig öfter selbstständiges Arbeiten und Projektlernen üben. In Rollen­spielen will er sie außerdem an ein selbstbewusstes und of­fenes Auftreten heranführen.
Zur Kommunikation gehört auch, dass man sich selbst prä­sentieren kann', sagt er.
Manchmal hilft schon das schlichte Einpauken von Re­dewendungen und Formeln. Eine Formel hat Vollbehr bei seinem Praktikum einpau­ken müssen, ‑"Moin moin, hier ist die Komtel“, säuselte er zwei Tage lang im Komtel ­Callcenter in sein Telefon­ Headset.
"Am Anfang hat man Lampenfieber, dann geht's", sagt er.
Die Breite und Tiefe der Arbeit mache einen schwind­lig, aber trotzdem sei die Tele­fon‑Hotline weniger stressig, als ein halber Tag in der Schu­le.
Aus der Perspektive seiner Schüler stellt sich das anders dar.
Um Post abzuholen fuhr Praktikant Vollbehr morgens um acht, vor Komtel ‑ Dienst­beginn, zu seiner Schule.
Kommentar seiner Schüler: "Herr Vollbehr, wir dachten, Sie arbeiten".

Monika Wiessner‑Becker von der Komtel ist mit der Ar­beit ihres Senior‑Praktikanten zufrieden.
"Gute Kommunika­tion", lobt sie.
Die vom Bil­dungsministerium und vom Schulamt angeregten Lehrer‑Praktika findet sie gut.
Für das Unternehmen und seine 26o Mitarbeiter in Flensburg sieht sie beim Anbieten von Prakti­kumsplätzen auch eine Ver­antwortung für die Region.
Ihr Tipp für angehende Prakti­kanten und Auszubildende: Soziales Engagement doku­mentieren und zeigen, dass man kommunizieren kann.
Nur am Computer herum­schrauben können reicht nicht, so Wiessner‑Becker.